Blitzmarathon: Viele Fahrer rasen in die Radarfalle
Manche Autofahrer ärgern sich schwarz - doch die Polizei will vor allem Unfälle verhindern. Mehr als 2000 Polizisten waren landesweit beim Blitz-Marathon im Einsatz. Temposünder hatten da schlechte Karten.
Stuttgart - »74 km/h« ruft der Polizist an der Laserpistole - schon greift sein Kollege zur roten Kelle und winkt die Autofahrerin an den Straßenrand. Dann muss die Frau eine ernste Ansprache über sich ergehen lassen, denn erlaubt sind an dieser Stelle in Stuttgart nur 50 Kilometer pro Stunde. Hunderten Autofahrern ist es am Donnerstag in Baden-Württemberg genauso gegangen, denn die Polizei hat im Rahmen eines bundesweiten Blitz-Marathons mit Tausenden Einsatzkräften Jagd auf Temposünder gemacht. Blitz-Marathon? »Davon habe ich letztes Jahr gehört, dieses Jahr aber nicht erwartet«, sagte Julia ganz verdutzt, die gerade mit Tempo 74 auf dem Tacho erwischt wurde. Verschlafen habe sie. »Wenn ich nicht in Eile bin, bin ich eher gemütlich.« Aber ausgerechnet am Morgen des Blitz-Marathons sei sie zu spät aus dem Haus gekommen und habe auf dem Weg ins Büro kräftig aufs Gas getreten.
Für den zweiten Blitz-Marathon in Baden-Württemberg waren am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag rund 2120 Beamte an 1135 Kontrollstellen im Einsatz. 24 Stunden lang haben sie Temposünder auf den Straßen im Südwesten aus dem Verkehr gezogen.
Auch ein Maschinenbauingenieur hat es in Stuttgart eilig - er will zu seiner Ehefrau ins Krankenhaus und wird mit 72 km/h auf dem Tacho erwischt. Die Raser-Aktion hat er dabei vergessen.
»Oft sind es Termine oder Zeitdruck, die die Leute antreiben«, sagt der Stuttgarter Polizeikommissar Patrick Ulmer. Der Polizist und seine vier Kollegen sind nur einige von mehr als 13 000 Polizisten, die am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag im Zuge der bundesweiten Aktion die Raser auf den Straßen kontrolliert haben.
Die 24-Stunden-Aktion soll Autofahrer wachrütteln. Denn: Tempoüberschreitung ist in Deutschland eine der Hauptunfallursachen. »184 Menschen haben im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg bei Verkehrsunfällen ihr Leben verloren, weil zu schnell gefahren wurde. Sie könnten heute noch leben«, sagt Innenminister Reinhold Gall (SPD). Mehr als die Hälfte aller Verkehrsunfälle passieren laut dem Innenministerium wegen nicht angepasster Geschwindigkeit.
Abschrecken, nicht abzocken ist das Ziel, betont die Polizei. Fahrer sollen sich bewusst an die Tempolimits halten. »Es wirkt wirklich Wunder, zumindest für diesen einen Tag«, sagt Ulmer während Auto- und Mopedfahrer neben ihm angehalten werden. An dieser Kontrollstelle - einer von 1135 in Baden-Württemberg - werden innerhalb von zwei Stunden fünf Raser geblitzt. Das seien deutlich weniger als an einem normalen Tag. Der Blitz-Marathon wirkt abschreckend.
»Alle Erfahrungen zeigen: nicht die Höhe der Strafe zählt, sondern beim verkehrswidrigen Verhalten entdeckt zu werden«, betont ein Sprecher des Autoclubs ACE. Daher sei es viel effektiver, wenn Polizisten die Raser anhalten und direkt mit ihnen ein Gespräch führen als wenn Monate später ein Strafzettel kommt.
Über die Nachhaltigkeit der Aktion lässt sich streiten. »Ob ich zukünftig langsamer fahren werde? Ehrlich gesagt, irgendwann nicht mehr«, sagte der Maschinenbauingenieur. Seine Geschwindigkeit sei für ihn normal. Doch die Eventmanagerin Julia unterstützt die Aktion: Sie wurde selber mal von einem alkoholisiertem Raser angefahren. Die Aktion müsse weitergehen.
Veröffentlicht von der Deutschen Presse-Agentur
Zu sehen unter anderem im Reutlinger General-Anzeiger