Jordaniens versteckte Wanderrouten: Kraxeln im Tal des Honigs





Jordaniens Wüsten sind weltbekannt, spätestens seit Lawrence von Arabien dort campte. Versteckt in Felsschluchten finden sich dort tropische Oasen, die ausländische Wanderer neu für sich entdecken.
"Jordanien ist ein Land der Kontraste", sagt Hakim Tamimi-Muriño, Reiseveranstalter von Tropical Desert Trips. "In einem unserer Täler musst du dich manchmal wie Rambo durch ein Dickicht aus Bambus kämpfen, während zehn Meter weiter die Wüste ist". Tamimi-Muriño organisiert seit acht Jahren Wander- und Kletterausflüge in die grünen Täler und Schluchten des Wüstenstaats.
Mit Wasser, Humus und Falafel im Rucksack macht sich seine junge Gruppe auf. Der Wanderweg ist steinig, die jordanische Wüste ist trocken. Auf einmal eröffnet sich vor den Wanderern eine tropische Oase: Ein Wasserfall fällt von oben herab, grüne Palmen klettern die Steinwände hinauf, rosa Blüten verzieren das Tal. Im Wadi Assal - im Tal des Honigs - liegt eine der vielen Wanderrouten, die Jordanien zu bieten hat.
Den halb spanischen, halb jordanischen Abenteurer Tamimi-Muriño hat es als 16-Jährigen in die Natur gezogen. In jugendlichem Übermut ist er Wasserfälle hinuntergerutscht und hat die Schluchten erkundet, die hauptsächlich entlang des Toten Meeres liegen.
Seine Freunde konnten seine Wanderlust nicht verstehen: Warum laufen, wenn man fahren kann, haben sie ihn gefragt. "In Jordanien gab es keinen Outdoor-Sport in der Natur", sagt der heute 29-Jährige, der mit einer Deutschen frisch verheiratet ist. "Das Letzte, an was Menschen hier denken, ist ihre Freizeit - die haben andere Sorgen."
Dabei ist das Wüstenland für Abenteuersport ideal: Zwei tektonische Platten treffen im Tal des Jordanflusses aufeinander. Durch das Reiben der Platten sind große Risse im Stein entstanden - hier fließen oft Bäche und Flüsse, die Täler in ein sattes Grün tauchen. Besucher können gemütlich wandern oder sich von Steilwänden abseilen. 67 Schluchten mit Flüssen gebe es im Jordantal, erklärt Tamimi-Muriño. "Doch viele davon wurden noch nicht aufgezeichnet und für Wanderungen angeboten."
Noch fehlt es: Das Outdoor-Fieber in Jordanien
Erst in den vergangenen fünf Jahren habe sich die Begeisterung für Wandern und Klettern in Jordanien entwickelt, sagt eine Sprecherin der Royal Society for the Conservation of Nature (RSCN). Die Organisation ist zuständig für die Nationalparks, von denen vier Wanderrouten haben. Zwei Schluchten sind besonders beliebte Trekking-Ziele: Abenteuerlustige zieht es nach Wadi Mujib, dort kann man an kleinen Wasserfällen hochklettern. Wadi bin Hamad bietet eher gemütliche Spaziergänge, dafür ist man umgeben von Palmen und Blumen.
Als Tamimi-Muriño vor acht Jahren anfing, Trips zu organisieren, ging es noch abenteuerlich zu: Wadis erkundete er anhand von Aufzeichnungen und Karten des israelischen Geologen Itai Haviv, der in den Neunzigerjahren viele Schluchten erforschte.
Geld für Ausrüstung gab es damals nicht: "Schwimmwesten waren zu teuer, deswegen haben wir leere Plastikflaschen in Rucksäcke gestopft und konnten so im Wasser treiben", erklärt er. Heute hat er ein Team von rund 16 freiberuflichen Führern und bietet 46 verschiedene Routen an. Mit den Touren unterstützt er auch lokale Familien, die traditionelle arabische Speisen für die langen Wanderungen zubereiten.
Die meisten von Tamimi-Muriños Kunden sind in Jordanien lebende Ausländer. Viele wollen sich am Wochenende in der Natur austoben und das Land erkunden. Das Weltkulturerbe Petra - eine in Stein gemeißelte antike Stadt - oder die römische Stätte Jerasch einmal abgehakt, bieten die Wanderwege Abwechslung. Kein Wadi gleicht dem anderen.
"Mein Traum ist es, Jordanier auf meinen Wanderungen zu sehen", sagt Hakim Tamimi-Muriño. Er hofft, dass auch die Einheimischen das Outdoor-Fieber packt, so wie in Europa und den USA. Dafür muss noch vieles passieren: Es fehlen ein echter Verband für Trekkingführer, Ausbildungsmöglichkeiten und angemessene Sicherheitsvorschriften.
Der 29-Jährige will, dass sich der Sport in Jordanien entwickelt: Er geht zu Treffen mit Ministerien, gründet eine Kletterschule und erklärt in YouTube-Videos, wie man einen Bolzen an einer Steinwand anbringt. Er glaubt an die Zukunft des Wanderns in Jordanien: "Unsere physischen Grenzen zu erweitern - wir Menschen brauchen das."
Hinweis: Das Auswärtige Amt rät von einer Reise in das syrisch-jordanische Grenzgebiet sowie in den Nordosten des Landes in der Grenzregion zum Irak dringend ab. Die beschriebenen Touren im Wadi Assal, Wadi Mujib und Wadi bin Hamad liegen nicht in diesen Gebieten.
Veröffentlicht durch die Deutsche Presse-Agentur.
Zu sehen unter anderem bei Spiegel Online.