Neues Programm soll Extremismus unter Schülern stoppen

Abgleiten junger Muslime in den Extremismus früh bemerken – das ist das Ziel eines Präventionsprogramms für Lehrer. Foto: dpa

Wie erkenne ich, dass sich ein Schüler radikalisiert? Pädagogen stehen vor der Herausforderung zu unterscheiden, ob Jugendliche einfach nur ihre Religion ausüben oder ob der Glaube fanatische Ausmaße annimmt. Ein Programm der Landeszentrale für politische Bildung und des Verfassungsschutzes Baden-Württemberg – genannt "Team meX" – sensibilisiert Lehrer für Symptome des Extremismus.

Mosbach - "Wir haben Schüler, bei denen wir Bedenken haben", sagt die Lehrerin. Ein Junge postet arabische Videos und Links auf seine Facebook-Seite und will nicht mehr am Religionsunterricht teilnehmen, erklärt die Pädagogin an einer Förderschule in Baden-Württemberg. Der Wandel des 12-Jährigen bereitet ihr Sorgen: Eigentlich ist er konfessionslos, jetzt scheint er immer mehr zum Islam zu tendieren. Er sagt Dinge wie "ich habe keine Zeit, ich muss zu Allah beten".

Ob allgemeine Fragen von Schülern oder ein Problemfall in der Klasse – immer mehr Pädagogen stehen vor offenen Fragen, wenn es um den Islam und Islamismus geht. "Viele Lehrer haben eine Unsicherheit bei den Themen", sagt Ethem Ebrem, Mitarbeiter der Landeszentrale für politische Bildung (LpB). Um Extremismus zu erkennen, braucht man Übung. Ebrem und seine Kollegen von "Team meX" bieten Fortbildungen für Lehrer an. Das Programm gibt es zwar schon seit sechs Jahren, doch gerade jetzt brauchen die Lehrer Unterstützung. "Mit dem Aufkommen des Islamischen Staates ist die Nachfrage weiter gestiegen", sagt Projektleiter Felix Steinbrenner. Der Terror der islamistischen Gruppe in Syrien und im Irak hat auch in Deutschland seine Auswirkungen: Laut Verfassungsschutz sind bis jetzt rund 450 Deutsche in den "Heiligen Krieg" gezogen. Die Angst besteht, dass ihnen weitere junge Männer und Frauen folgen.

Die Lehrerin der Förderschule und ihre Kollegin haben sich für die Fortbildung angemeldet, um mehr über den Islamismus in Deutschland zu lernen. Dabei müssen die Lehrer gar nicht zu Experten werden, erklärt Ebrem. In den Präventionsfortbildungen will er den Pädagogen zeigen, dass die Radikalisierung von Jugendlichen kein religiöses, sondern ein politisches Problem mit religiöser Sprache ist. "Das Ziel ist, sie zu sensibilisieren und zu ermächtigen, mit den Themen in ihren Klassenzimmern umzugehen."

Doch immer mehr Lehrer stoßen an ihre Grenzen. Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge können sich Familienangehörige, Freunde und Pädagogen an eine Beratungsstelle wenden, wenn der Verdacht auf eine Radikalisierung besteht. Seit Beginn der Beratungsstelle 2012 sind hier rund 1100 Anrufe eingegangen – wovon um die 360 zu Beratungsfällen geworden sind, sagt der Leiter der Beratungsstelle, Florian Endres. Dann setzen sich Partnerorganisationen direkt mit den Familien und Jugendlichen in Kontakt und versuchen, vor Ort einer Radikalisierung entgegen zu wirken.

Deutschlandweit und in den Ländern bieten einige Initiativen Islamismusprävention an. Das vom Familienministerium initiierte Programm "Demokratie leben!" soll ab Januar 2015 jährlich mit rund 30,5 Millionen Euro deutschlandweit Projekte der Extremismusprävention fördern. Doch die Präventionsarbeit ist ein "Tropfen auf dem heißen Stein", sagt Pädagoge Bernd Ridwan Bauknecht. Seiner Meinung nach findet eine der wichtigsten Präventionsarbeiten im islamischen Religionsunterricht statt – der viel zu spät in Deutschland eingeführt wurde, beteuert der Islamlehrer aus Bonn

Auch aus Sicht von Ebrem sollte die Prävention von Extremismen früher anfangen: in der Ausbildung der Pädagogen an den Hochschulen. Dann könnten auch Lehrer, wie die Pädagogin aus Baden-Württemberg, Entwicklungen ihrer muslimischen Schüler besser einschätzen.

Veröffentlicht von der Deutschen-Presse Agentur

Zu sehen unter anderem in der Badischen Zeitung

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